Green IT oder Green Software Design?

Den Begriff GREEN IT gibt es schon lange. Erinnert sich noch jemand an die einstmals bedeutende Messe CeBIT? 2009 gab es dort eine eigene „Green IT World“, weil der Begriff damals rasant die Hypekurve hinaufkletterte. Seitdem hat sich viel getan in Sachen Green IT. Stromsparende Prozessoren entstanden und Rechenzentren verbesserten ihre „Power Usage Efficiency“ (PUE) durch effizientere Kühlsysteme. Heute werden manche Rechenzentren (RZ) extra in Skandinavien errichtet, denn kaltes Meerwasser bietet dort ein natürliches Kühlmittel. Es bleibt jedoch viel zu tun: Die PUE der Bestands-RZ variiert erheblich – da ist noch jede Menge Luft nach oben. Bei der Auswahl eines Cloudanbieters sollte man daher unbedingt auch dessen PUE berücksichtigen.
Die Anstrengungen im Bereich der (Cloud-)Rechenzentren haben sich gelohnt. Die Effizienz der deutschen Rechenzentren, also die Rechenleistung pro Energieeinsatz, stieg zwischen 2010 und 2020 sage und schreibe um den Faktor 8. (Angabe des Borderstep-Institutes, siehe hier.) Gäbe es derartige Effizienzsteigerungen in allen Bereichen, Deutschland wäre schon heute beinahe klimaneutral.
Leider wird dieser Fortschritt mehr als aufgefressen vom ständig steigenden Hunger nach Rechenleistung. Dadurch stieg der Gesamtenergiebedarf der deutschen Rechenzentren im selben Zeitraum um fast 60% (von gut 10 auf 16 Mrd. kwh/Jahr, siehe: Dr. Ralph Hintemann, „Energiebedarf der Rechenzentren steigt trotz Corona weiter an“). Die Lage verbessert sich also keineswegs. Im Gegenteil, die IT verbraucht Jahr für Jahr mehr Strom. Und die Prognosen sind eindeutig: Wenn nichts geschieht, wächst der Energiehunger auch in den kommenden Jahren ungebremst weiter.
Um die klimaschädliche Seite der Digitalisierung wirklich in den Griff zu bekommen, benötigen wir somit einen zusätzlichen Ansatzpunkt. Hier kommt GREEN SOFTWARE DESIGN ins Spiel. Während sich die bisherigen Anstrengungen praktisch ausschließlich auf die Hardware-Seite konzentrierten, setzt GREEN SOFTWARE DESIGN bei der Software an. Denn die Hardware muss ja nur das leisten, was die Software ihr abverlangt. Je effizienter die Software mit Hardware-Ressourcen umgeht, desto langsamer wächst der Bedarf an Rechenleistung.
Verblüffend ist, dass die Potentiale nachhaltiger Software-Entwicklung bis 2021 in der Praxis fast gar nicht genutzt wurden. Ausnahmen bilden eigentlich nur Apps (weil Nutzer es nicht mögen, wenn Apps ihnen den Akku leer saugen) und Web-Design (weil Effizienz auch entscheidend zur Geschwindigkeit beiträgt). Aber sonst? Fehlanzeige. Im akademischen Bereich gibt es zwar etliche Publikationen, in der Praxis kam davon bis 2020 aber nichts an. (Zumindest lässt sich nichts erkennen.)
Gehen Sie doch mal probehalber das nächstes Software-Entwicklungsprojekt mit der Maßgabe an, die Klimaeffizienz aktiv zu steuern, um den CO2-Fußabdruck der Software klein zu halten. Alle Entwickler werden erst einmal Fragezeichen im Gesicht haben. Sie wissen nämlich bisher überhaupt nicht, wie sie die Aufgabe bewältigen sollen.
Erst jetzt beginnt GREEN SOFTWARE DESIGN, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die es schon längst verdient hat. So gründete etwa Microsoft vor Kurzem die Green Software Foundation. Und Syngenio startete die GREEN SOFTWARE DESIGN Initiative, die den ersten und wichtigsten Anlaufpunkt dafür in Deutschland darstellt. Syngenio arbeitet selbst an Methoden zur Integration von Klimaeffizienz in Entwicklungsprozesse und analysiert Produkte und Frameworks im Hinblick auf ihre Eignung für GREEN SOFTWARE DESIGN. Diese Erfahrung können Sie nutzen. Und sich schon bald selbst beteiligen an der Green Software Design Community. Denn nur gemeinsam kommen wir schnell genug voran.